Was ist "Resilienz"
Der Resilienzbegriff hat seit dem Aufkommen der Resilienzforschung in den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts einen starken Bedeutungswechsel erfahren. Psychologische Resilienz wird von uns heute nicht als festes Charaktermerkmal, welches seiner Trägerin/seinem Träger Widerstandskraft gegen Traumatisierungen und Krisen verleiht, verstanden, sondern als das Ergebnis („Outcome“) einer guten psychischen Gesundheit trotz Belastungen, also als die Aufrechterhaltung oder rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während und nach schwierigen Lebensphasen.
Dabei scheinen einerseits verschiedene Faktoren („Resilienzfaktoren“) wie z.B. eine optimistische Denkweise, ein hohes Selbstvertrauen oder ein unterstützendes soziales Umfeld den Erfolg der Krisenbewältigung zu bestimmen, andererseits verändern sich Individuen häufig im Verlauf der erfolgreichen Krisenbewältigung dauerhaft in ihrer Art und Weise, mit Widrigkeiten umzugehen. Eine dauerhaft gute psychische Gesundheit trotz Belastungen (Resilienz im heutigen Sinn) ist daher vermutlich in vielen Fällen das Ergebnis von Adaptationsprozessen, in denen das Individuum in Wechselwirkung mit seiner Umwelt Methoden und Strategien der Bewältigung optimiert. Resilienzförderliche Veränderungsprozesse, einschließlich Veränderungen der Hirnfunktion, konnten insbesondere auch in Tiermodellen der Resilienz gezeigt werden.
Unter Resilienzmechanismen werden jene erfolgreichen Methoden oder Strategien verstanden, die ein Individuum in der Konfrontation mit schwierigen Lebenslagen zum Zweck der Krisenbewältigung einsetzt. Es wird davon ausgegangen, dass Resilienzfaktoren die Aktivierung entsprechender Resilienzmechanismen wahrscheinlicher machen. So wird angenommen, dass ein optimistischer Denkstil oder eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung in Krisensituationen zu verhältnismäßig positiven Situationsbewertungen führen, die Überreaktionen vermeiden und Raum für eine flexible Herangehensweise und den notwendigen Wiederaufbau von Ressourcen lassen.
Wesentliches Ziel der Resilienzforschung ist es, über die Identifizierung von Resilienzfaktoren und Resilienzmechanismen und die Entschlüsselung der stattfindenden Adaptationsprozesse neue Methoden der Vorbeugung (Prävention) stressassoziierter psychischer Erkrankungen in Individuen zu entwickeln, die sich in belastenden Lebensumständen befinden oder befinden werden. Dabei ist davon auszugehen, dass von resilienzfördernden Interventionen vor allem Menschen profitieren sollten, deren Resilienzfaktoren gering ausgeprägt sind oder die über zusätzliche Risikofaktoren verfügen. Dies begründet die Bedeutung von Forschungsansätzen zur individuellen Vorhersage von psychischen Gesundheitsverläufen, die anhand von frühen Warnsignalen und individueller Faktorenprofile günstige Interventionszeitpunkte und angemessene Interventionsmethoden anzeigen sollen.